48 Hat man ein Objektiv a geurteilt, so verträgt sich damit (und ebenso mit der Annahme von a) die Annahme eines jeden mit a ver- träglichen, also mit Rücksicht auf a möglichen Objektivs ẞ, selbstver- ständlich auch das Urteilen der Möglichkeit von ß, aber nicht das Urteilen eines jeden solchen B. Zum Beispiel kann man, wenn ein richtiger Würfel geworfen wird, zwar vernünftigerweise annehmen (,,den Fall setzen"), daß er auf die Fläche f, falle, man kann aber ver- nünftigerweise nicht ernstlich erwarten", das heißt vermuten, daß er in der Tat gerade auf diese Seite falle. Man ist vielmehr logisch berechtigt, das Gegenteil zu vermuten. Man erkennt auch den folgenden allgemeinen Tatbestand. Jede (absolute oder relative) Möglichkeit eines Objektivs B berechtigt in ihrem eigenen Grade eine Annahme des Objektivs ß, das heißt erteilt ihr eine gewisse Evidenz.') Eine solche berechtigte An- nahme heißt dann auch vernünftig" (eventuell folgerichtig oder kon- sequent). Auch der objektive Sinn der Redewendung, die etwas, nämlich ein Objektiv, als „denkbar", beziehungsweise als „undenkbar" bezeichnet, scheint in der Berechtigung, beziehungsweise der Berechtigungslosigkeit der Annahme jenes Objektivs zu liegen. Der mathematischen Wahrscheinlichkeit (d. h. der größen- bestimmten Möglichkeit eines Objektivs) entspricht seine objektiv mög- liche Annahme evidenz. ― f " " Neben der Annahme des möglichen ẞ ist auch die des möglichen 5 be- rechtigt (freilich nicht die von ẞ3). Dagegen verträgt sich der Urteils- akt 8" (auch als Vermutungsakt) nicht mit dem des Inhaltes 8". Die Annahmeevidenz für ẞ ist ein Berechtigungsmoment (eine Berechtigungs- Chance") für das Urteil ß, die Annahmeevidenz für aber ein Un- berechtigungsmoment für dieses Urteil. Die wirkliche Berechtigung, das heißt Vermutungsevidenz für B (bzw. B) ist das Ergebnis des Zusammen- bestehens dieser beiden Momente. 112. (Definition und Satz.) Die Differenz aus den Beträgen der Seinsmöglichkeit und Nichtseinsmöglichkeit) von B, also a (3) @ (B) bezeichnen wir als Grad w (3) der Seins-, beziehungsweise Nichtseins- bestimmtheit des Objektivs B, je nachdem sie positiv oder negativ ist. Mit Rücksicht auf 108 ist w (3) Zusatz. Unter Wahrscheinlichkeit im engeren und eigentlichen im Gegensatz zu bloßer Möglichkeit, die auch mit Unwahr- 2 ∞ (3) 1. Sinne - - = - - "" 1) Über Annahmeevidenz vgl. Meinong, Über Annahmen, 2. Aufl. (Register).— Ich glaube aber im Gegensatz zu Meinong (a. a. O. S. 345 f.), mit Rücksicht auf den eben besprochenen Sachverhalt neben der Evidenz einer Annahme aus einer andern Annahme auch eine absolute, die sich in der Vernünftigkeit" der Annahme bekundet, feststellen zu können (z. B. bei der Annahme, daß ein richtiger Würfel zweimal nacheinander auf dieselbe Fläche falle). Ich widerspreche damit nicht dem Prinzip der „Annahmefreiheit", da ja für evidenzlose Annahmen bestehen bleibt, daß sie zwar ohne ein positives Berechtigungsmoment, aber darum noch nicht un- oder eigentlich widerberechtigt sind, wie es Urteile derselben Objektive wären (sie haben die Null der Berechtigung, aber nicht ein der Berechtigung entgegengesetztes, nega- tives, logisches Wertdatum). 2) Vgl. § 14, auch 60. Die Feststellung, daß Seinsmöglichkeit und Nichtseins- möglichkeit sich wie positive und negative Größen gegenüberstehen, findet sich in den Elementen der Gegenstandstheorie". Siehe oben, Vorwort. 19