§ 3. Die Aktualitätsbedingungen. Seins- und Nichtseinswerte. 131 Sachlage im wesentlichen ohne Zweifel die nämliche. Bei den verifizieren- den Ausfallstatsachen ist es sogar nicht immer leicht, den Anteil intellek- tueller von dem emotionaler Dispositionen reinlich zu sondern. Aber wenn Musik für den Tauben, Gemälde oder Photographie für den Blinden keinen Wert hat, so fehlt jeder Anlaß, das noch einem anderen Moment als eben dem Sinnesdefekt zuzuschreiben. Dagegen werden für das jugendliche oder pathologische Subjekt Werte genug namhaft zu machen sein, bei denen die intellektuelle Unfähigkeit mindestens mit der emotio- nalen konkurriert, ohne darum dem, was vorliegt, den Charakter des von jedem Urteilsfähigen anerkannten Werttatbestandes nehmen zu können. Der vergleichsweise dauernden intellektuellen Veranlagung steht als ebenfalls dispositionelles, aber doch vergleichsweise variables Moment der Wissenszustand des Subjektes, seine Orientiertheit hinsichtlich des allfälligen Objektes der Werterlebnisse zur Seite. Und wirklich spielt auch diese Orientiertheit nicht selten die Rolle des unerläßlichen Wert- erfordernisses. Dem entspricht es, daß etwa eine Auszeichnung, die einem Ehrgeizigen zuteil geworden ist, für diesen keinen Wert hat, so lange er nichts davon weiß. Auch wenn mein Freund zur Zeit, da ich ihn fern glaube, mit mir in derselben Stadt weilt, wird dies nicht leicht für mich Wert haben. Schwieriger mögen die Dinge schon hin- sichtlich eines Schatzes stehen, der auf einem Grunde vergraben liegt, dessen Besitzer davon keine Kenntnis hat. Und wenn der A einen Autor herausgibt, sein Freund B aber eine für die Kenntnis des Autors grund- legende Handschrift entdeckt, so wird B wohl sagen dürfen, die Hand- schrift sei für A wertvoll, auch schon ehe er den A über seinen Fund unterrichtet hat. Ganz zweifellos wertvoll aber ist eine Ventilations- vorrichtung für denjenigen, der, ohne von ihr zu wissen, vermöge ihrer Funktion, während er schläft, vor einer Vergiftung durch ausströmendes Leuchtgas bewahrt wird. Es würde zu weit führen, sollte an dieser Stelle versucht werden, den Gründen für solche Verschiedenbehandlung nachzugehen. Daß aber hier in Bezug auf das, was in den Wertgedanken thetisch einbezogen wird, sich weitaus erheblichere Schwankungen geltend machen, als bei den beiden vorher betrachteten Tatsachengruppen, scheint aus den beigebrachten Beispielen unmittelbar zu erhellen. Nun greift aber dieses Schwanken von der besonderen Beschaffen- heit des Subjektes auch noch geradezu auf dessen Dasein über, sofern dieses unbeschadet des oben konstatierten ersten Anscheines doch nicht für alle Werttatbestände schlechthin unerläßlich ist. Daß neu aufgelegte Briefmarken für Markensammler besonderen Wert haben, darf man mit Recht behaupten, auch wenn man damit durchaus nicht sagen will, daß eine solche Neuausgabe tatsächlich erfolgt sei, oder daß tatsächlich Markensammler vorhanden seien, denen sie zustatten kommt. Ähnliches wird oft genug auch sonst zu konstatieren sein, wo der betreffende Wert nicht auf ein bestimmtes Individuum bezogen ist, insofern also, etwas ungenau ausgedrückt, ein universelles Subjekt hat. Wer, wie das heute. doch die Regel ist, ethische Werte persönlich genug versteht, um sich der Frage nach einem ethischen Wertsubjekt nicht für überhoben zu 9*