44 " 99 von den Beteiligten das Zeichen tatsächlich im festgesetzten Sinne verstanden wird. Es ist aber zu beachten, daß wir bei der Fest- setzung „x sei kleiner als 1" an Zeichen und Verstehen der Zeichen gar nicht zu denken pflegen. Die Analyse des Gedankens der „ Un- bestimmten" oder der Veränderlichen" und ihres Bestimmens" gehört wohl zu den schwierigsten Aufgaben der Psychologie; allein soviel wird man sagen dürfen: wie die Annahme „x sei kleiner als 1" eine phantasiemäßige Nachbildung eines Urteils ist, das wegen Fehlens eines bestimmten Subjektes hier nicht eintreten kann, so ist die gleichlautende begehrungsmäßige Festsetzung sofern sie nicht das Zeichen und sein Bedeuten betrifft, sondern die „Veränderliche" selbst nur ein Phantasiebegehren¹, eine phantasiemäßige Nach- bildung eines Wollens. Dem Beispiel kann man leicht andere an- reihen, die „reale" und darum willensnähere Bestimmungen betreffen, wie etwa, zahle dem y hundert Schilling" u. dgl. Sie können nur zeigen, daß man eine reine Bestimmung höchstens nur phantasie- mäßig, aber nicht ernstmäßig wollen ja nicht einmal ernstmäßig wünschen kann; genau so, wie man sie nur „phantasiemäßig urteilen", d. h. eben nicht urteilen, sondern nur in urteilsartigem intellektuellem Verhalten annehmend setzen kann. ―――― 99 ――――― 2. Objektive Bestimmtheit bei subjektiver Un- bestimmtheit. ― - Wir wollen freilich nicht in eigentlichem Wollen und nur von diesem ist hier die Rede Tatsachen oder gar Untatsachen als solche. Trotzdem ist jeder Sachverhalt, den wir wollen, das eine oder das andere. Es ist, zeitlos und in gewissem Sinne immer, auch vor meinem Entschlusse, Tatsache oder es ist Untatsache, daß das, was mir etwa als wollbar vorschwebt, eintreten wird. Dieser Sachlage gegenüber entsteht die Aufgabe, zu zeigen, welchen Sinn und welche Bedeutung eigentliches Wollen und Sollen habe. Ist es nicht nur eine Einbildung, daß wir wollend den Lauf der Dinge bestimmen, da doch alles schon bestimmt ist? Und was soll noch ein anderes Sollen, wenn doch geschieht, was geschehen soll? Was wir wollen, ist weder eine Bestimmung als solche, noch eine Tatsache oder eine Untatsache als solche, sondern das Zutreffen einer Bestimmung in gewissen Fällen. Die Fälle sind in sich voll- ständig bestimmt, aber sie sind vom Wollenden nur in unvollständiger Bestimmung erfaßt. Der Einfachheit halber sei ein Wollen betrachtet, das sich auf einen einzigen Fall bezieht. Er ist vom Wollenden zwar eindeutig aufgefaßt, als dieser Fall etwa der nächste Augen- ―― - 1 Der Begriff der Phantasiebegehrung (und der des Phantasiegefühls) ist von Meinong eingeführt. Vgl. dieses Verfassers Buch: Über Annahmen, a. a. O., Register.